Wer schon Zeit mit kleinen Kindern verbracht oder selber welche hat, der weiss: Sie nehmen kein Blatt vor den Mund.
Sie sind herrlich unbefangen, und kein Thema ist Tabu – auch nicht COVID-19. Während der Pandemie sah sich Sabine Stoffel, Projektmanagerin für Forschung und Entwicklung bei CSL Behring in der Schweiz, mit genau so einer Situation konfrontiert, als sie ihre Tochter und einige der Nachbarskinder in den Kindergarten begleitete. Auf dem Weg dorthin beantwortete sie deren Fragen über das neuartige Coronavirus. Diese unvergesslichen Unterhaltungen veranlassten Stoffel, ein wissenschaftlich fundiertes Buch für Kinder zu schreiben.
Stoffel, die als Associate Director in der Forschung und Entwicklung bei CSL Behring in Bern arbeitet, ist nun auch die Autorin von "So Geht Corona". Die liebevollen und einfachen Illustrationen von Stoffel helfen, Kinder in das Thema einzuführen. Bereits melden Kindergärten, Kinderarztpraxen und Bibliotheken ihr Interesse für das Buch an, und Stoffel erhält sogar Anfragen, das Buch in andere Sprachen zu übersetzen, einschliesslich Englisch.
Im Interview erzählt sie, wie aus einem unterhaltsamen Spaziergang zum Kindergarten ein Kinderbuch wurde.
Wie kommt eine Wissenschaftlerin dazu, ein Kinderbuch zu schreiben?
Schon während des Lockdowns im März wollte meine Tochter mehr über das Virus wissen und hat mich immer wieder gefragt, welche neuen Regeln der «Chef der Schweiz» (Bundesrat Berset) denn wieder aufgestellt hätte. Zum Teil kamen dabei lustige Fragen und Vorschläge zu Tage: «Kann man denn dem Virus nicht die Füsse zusammenbinden, damit es nicht so weit hüpfen kann?» oder «Warum stecken wir Corona nicht einfach ins Gefängnis?».
Schon bald wurde mir klar, dass ich mit ganz einfachen Antworten nicht weiterkomme. Ausserdem war es mir wichtig, wissenschaftlich fundierte Informationen kindergerecht weiterzugeben. Corona war und ist in aller Munde und die Kinder bekommen viel davon mit. Trotzdem verstehen sie vieles nicht.
Nach der Geburt meines Jüngsten, Fabio, letzten Sommer, war ich im Mutterschaftsurlaub. In dieser Zeit habe ich unsere Ältere, Elena (5), und ihre Freunde regelmässig auf dem Weg in den Kindergarten begleitet. Ich habe gehört, wie Elena den Kindern vom Virus und den «kleinen Soldaten» erzählt hat, die in unserem Blut dafür sorgen, dass wir nicht krank werden. Das hat mich mit Stolz erfüllt.
Warum war es so wichtig, dass «So geht Corona» ein Bilderbuch wird?
Im Dialog mit Elena und auch mit anderen Kindern habe ich bemerkt, dass Kinder das aktuelle Geschehen anhand von Zeichnungen und Beispielen aus dem Alltag viel besser verstehen. Die Wissenschaft musste also «einfach» in eine Bildergeschichte verpackt werden.
Ich habe mit Elena gezeichnet, seit sie ganz klein war. So war es nicht erstaunlich, dass sie mich eines Tages fragte, ob ich ihr zeigen könnte, wie man ein Coronavirus oder Zellen des Immunsystems zeichnet. So sind die ersten Skizzen für das Kinderbuch entstanden. Stundenlang habe ich Viren, B-und T-Zellen, Nasen und Desinfektionsmittel gezeichnet und mit Hilfe von Elena ausprobiert, was Kleinkindern gefällt. Als die Geschichte endlich fertig war, habe ich mich sehr gefreut, dass sie mich immer wieder fragte: «Mama, erzählst du mir noch ein wenig von Corona?»
Wie kam es, dass du das Buch mittlerweile verkaufst? Und wie war das Feedback?
Vorerst war die Idee, das Buch «nur» für die Familie zu drucken, als Erinnerung an 2020. Dann wurde ich von anderen Eltern und später auch von Kita und Kindergarten angefragt, ob sie auch ein Buch von mir erhalten könnten. Die Mund-zu-Mund Propaganda tat den Rest. Im Oktober vergangenen Jahres habe ich mich dazu entschieden, das Buch in einer grösseren Auflage drucken zu lassen. Cover und Schriftsatz habe ich kurzum selbst erstellt. Bei Kitas und Kinderärzten stiess ich auf offene Ohren. Die «Pädiatrie Schweiz» hat mein Buch auf ihrer Homepage in der Rubrik «Lesenswert» publiziert. Drei Bibliotheken haben mittlerweile «So geht Corona» in ihrem Angebot. Bereits nach Weihnachten waren sämtliche 100 Bücher verkauft.
Besonders gefreut habe ich mich über das Feedback meiner Arbeitskollegen: Sie waren erstaunt darüber, wie ihre Kinder bereits nach kurzer Lektüre die wichtigsten Grundprinzipien der Immunologie verstanden haben – und das mit bloss 8 Jahren.
Was möchtest du mit dem Buch erreichen, was war deine Motivation?
Der Wissensdurst und die vielen Fragen meiner Tochter waren der Antrieb für dieses Projekt. Durch ihre Aussagen wurde mit bewusst, wie viel Falschinformation sie von ihrem Umfeld mitbekommt. Ich wollte ihr erklären, was Corona ist, wie das Virus dem Körper schaden kann, woran man COVID erkennt, wie man sich und andere am besten schützen kann und wie eine mögliche Impfung (damals war sie noch nicht zugelassen) wirken kann.
Die Kinder mussten in den letzten Monaten auf viele Dinge verzichten, wie z.B. die heiss geliebten Tanzstunden, die Ferien am Meer oder der Besuch der Grosseltern. Ich wollte Erklärungen liefern, weshalb das so ist. Wenn die Kinder es verstehen, fällt es ihnen auch einfacher, für eine Weile zu verzichten.
Die Angst war ein weiterer Antrieb. Die Kinder fürchten sich vor dem «bösen» Virus und geraten schnell in Panik, wenn ein Kind im näheren Umfeld in Quarantäne gehen muss. Elena z.B. dachte, dass sie alleine in ein Haus eingesperrt wird, sobald sie in Quarantäne müsste. Für die Kinder ist das Thema in dieser Zeit omnipräsent. Ausserdem ist ihr Alltag eingeschränkt (Maskenpflicht bei der Lehrerschaft und der Kinderbetreuung, kein Turnunterricht, keine Umarmungen etc.). Eine gute Erklärung ist hier essentiell.
Und wie geht's jetzt weiter?
Ich bin wieder zurück im Berufsalltag als Projektmanagerin in der Forschung und Entwicklung. Meine Freizeit verbringe ich gerne mit meiner Familie. Viel Zeit für Nebenprojekte bleibt da nicht. An Ideen würde es aber nicht fehlen: Eines meiner Bücher hat es bis in ein australisches Kinderzimmer geschafft. Die Nachfrage nach einer englischen Übersetzung wäre da. Zudem wäre es natürlich interessant, die «So geht das» Reihe zu erweitern, z.B. mit «So geht impfen».
Alles in allem war es für mich eine sehr bereichernde Erfahrung, einmal ein ganz anderes Projekt in Angriff zu nehmen. Es zeigt mir auf, dass man manchmal einfach den Mut haben sollte, etwas Neues auszuprobieren. Strahlende Kinderaugen sind der grösste Dank dafür.
« Die Kinder mussten in den letzten Monaten auf viele Dinge verzichten. Ich wollte Erklärungen liefern, weshalb das so ist. Wenn die Kinder es verstehen, fällt es ihnen auch einfacher, für eine Weile zu verzichten. »
Sabine Stoffel Domig, Projektleiterin Forschung & Entwicklung und Kinderbuch-Autorin