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Coronavirus: Menschen mit primären Immundefekten benötigen Beratung

Der Leiter der US Immune Deficiency Foundation (IDF) kämpft gegen die Unsicherheit von Patienten mit einer Immunschwäche.

Story
Coronavirus Weltkarte

Für Menschen mit Immunschwäche, auch als primärer Immundefekt (PID) bezeichnet, stellt COVID-19 eine gefährliche Unbekannte dar. Patienten, die dauerhaft anfällig für Infektionen sind, haben verständlicherweise Fragen dazu, welche Schritte in Bezug auf das neue weit verbreitete Virus unternommen werden müssen, gegen das es bislang weder zugelassene Behandlungen noch einen Impfstoff gibt.

John G. Boyle, Präsident der Immune Deficiency Foundation (USA), schickte kürzlich eine E-Mail an Patienten, in der er seine eigenen Unsicherheiten – er selbst ist PID-Patient – zusammenfasste und auf die Anliegen und Fragen der Patienten einging. Mit Genehmigung der IDF geben wir Teile dieser E-Mail weiter.

Als in Maryland, wo Boyle lebt, COVID-19-Fälle bekannt wurden, empfahl ihm sein zehnjähriger Sohn, für die Dauer der Infektion zu Hause zu bleiben.

«Ich konnte ihm nicht genau sagen, wie sich diese spezielle Situation entwickeln würde. Was ich ihm jedoch sagen konnte, war, dass wir viel über die öffentliche Gesundheit wissen und den Sturm gemeinsam überstehen werden, wenn wir auf die wesentlichen Massnahmen achten – insbesondere auf das Händewaschen», berichtet Boyle.

« Wie bei allen Gesundheitsfragen werden Ihnen weder die IDF noch das Internet im Allgemeinen die Antworten liefern, die Sie benötigen. Diese Fragen sollten Sie stets zuerst mit Ihrem Arzt besprechen. »

John G. Boyle, Präsident der US Immune Deficiency Foundation
John G. Boyle, Präsident der IDF
John G. Boyle, Präsident der Immune Deficiency Foundation (USA), schickte kürzlich eine E-Mail an Patienten, in der er seine eigenen Unsicherheiten – er selbst ist PID-Patient – zusammenfasste und auf die Anliegen und Fragen der Patienten einging.

Er leidet an der Erkrankung Agammaglobulinämie, die zu den primären Immundefekten zählt, und versteht daher besonders gut, wieso Patienten sich spezifische Empfehlungen wünschen. Er weist jedoch darauf hin, dass die IDF keine allgemeingültige Empfehlung parat hat.

«Wir möchten selbstverständlich helfen. Allerdings sind viele der Fragen, die wir erhalten, derart spezifisch für die Diagnose, das klinische Erscheinungsbild oder die persönliche Situation der betreffenden Person, dass sie über die Bereiche hinausgehen, in denen wir Beratung anbieten können», schreibt Boyle. «Wie bei allen Gesundheitsfragen werden Ihnen weder die IDF noch das Internet im Allgemeinen die Antworten liefern, die Sie benötigen. Diese Fragen sollten Sie stets zuerst mit Ihrem Arzt besprechen.»

Die IDF hat dieses Video mit Fragen und Antworten von Dr. Kathleen Sullivan, Mitglied des Ärztebeirats und Leiterin der Abteilung für Allergologie und Immunologie am Children‘s Hospital of Philadelphia, geteilt. Dort weist sie darauf hin, dass Patienten mit PID-Erkrankung, die sich mit COVID-19 infizieren, abhängig von ihrer Diagnose mit unterschiedlichen Symptomen rechnen müssen. Etwa 400 verschiedene Arten von primären Immundefekten wurden bislang identifiziert.

In seiner E-Mail stellt Boyle eine Liste der nützlichsten Ressourcen für die breite Öffentlichkeit bereit (zum Beispiel die U.S. Centers for Disease Control) und merkt an, dass ein Grossteil der dort genannten Empfehlungen auch für Patienten mit primären Immundefekten gilt.

Aber manchmal unterscheiden sich Menschen, die an primären Immunschwächekrankheiten leiden, von der Allgemeinbevölkerung. So weist Boyle in seiner E-Mail darauf hin, dass einige PID-Patienten keine typische Fieberreaktion auf Infektionen entwickeln. Das stiftet Verwirrung, denn Fieber gehört zu der kurzen Liste der Symptome einer COVID-19-Infektion, und es besteht die Sorge, dass jemand infiziert sein könnte, jedoch nicht für den Test in Frage kommt. Boyle führt an, dass einigen Patienten der Test bereits verweigert wurde.

Laut Boyle kommt hier die IDF-Expertise in der Interessensvertetungs- und Politikarbeit direkt zum Tragen, und die Organisation arbeitet hinter den Kulissen, um das Bewusstsein für dieses Thema zu stärken und Anpassungen in Bezug auf die Prüfkriterien voranzutreiben. In der Zwischenzeit empfiehlt er den Patienten erneut, direkt mit ihren Ärzten zusammenzuarbeiten.

Boyle schliesst den Brief mit einer Überlegung darüber ab, was wohl das Vermächtnis der COVID-19-Krise sein wird, auch wenn diese noch mitten im Gange ist und täglich neue Entwicklungen mit sich bringt.

«Unsere Mitmenschen erleben nun am eigenen Leib, wie unser Alltag häufig aussieht. Letztendlich wird die Bedrohung durch COVID-19 vorübergehen und sie werden ihr unbekümmertes Leben wieder aufnehmen wollen. Lassen wir das nicht zu», warnt Boyle. «Nutzen wir dies als Chance, um bei allen Menschen ein dauerhaftes Bewusstsein dafür zu schaffen, wie Krankheitserreger übertragen werden. Wir müssen ihnen helfen, sich stets daran zu erinnern, wie beängstigend es sein kann, sich verwundbar zu fühlen, wenn ein Virus im Umlauf ist.»

Die derzeitige Situation könnte sogar die Art, wie wir uns tagtäglich begrüssen, für immer ändern. Ist es an der Zeit, sich vom Händedruck zu verabschieden? Boyle ist überzeugt davon und beendet seinen Brief mit einem Bild von Dr. Spock aus Star Trek. Anstelle eines Händedrucks bevorzugte die beliebte Serienfigur einen berührungslosen Gruss, den Vulkaniergruss, mit der Botschaft: «Lebe lang und in Frieden.»